Ich hatte in einem Buch mal einen Vergleich gelesen, den ich absolut passend finde: Wenn ein Hund ins Haus kommt und Teil der Familie wird, ist es so, als würde man einen Partner finden, der eine andere Sprache spricht, als man selbst. Was würde in dem Fall passieren mit zwei Menschen, von denen jeder eine andere Sprache spricht, jeder seine Gepflogenheiten, seine Kultur hat?
Genau, jeder der beiden würde versuchen, die Sprache des anderen zu verstehen, würde sie lernen, sich mit der Kultur des anderen beschäftigen, mit deren Gepflogenheiten. Damit es möglich ist, sich irgendwann so zu unterhalten, dass man sich versteht. Beide Seiten müssten das tun, damit diese Partnerschaft funktioniert.
Bei einem Hund ist es genau so! Ein Hund wird Teil einer Familie und merkt recht schnell, dass diese Zweibeiner eine ganz andere Sprache sprechen, als er selbst. Nicht nur das, manches, was sie tun, ihre Mimik, ihre Gestik ist völlig irritierend und bedeutet in der Sprache der Hunde etwas völlig anderes.
Was tun sie also? Sie versuchen uns zu verstehen, unsere Sprache zu lernen, sich mit unserer Kultur zu beschäftigen, mit deren Gepflogenheiten. Das machen sie, weil sie wissen, dass diese Partnerschaft nur so funktioniert. Und sie sind wahre Meister darin, uns „zu lesen“ und unsere Sprache zu lernen. Am Ende kennen sie uns und unsere Sprache weitaus besser, als wir selbst.
Sie nehmen unsere Gepflogenheiten wie feste Umarmungen, auf den Kopf knutschen, Pfoten sauber machen,… hin, auch wenn sie persönlich nicht immer Wert darauf legen, weil sie verstanden haben, dass von uns keine Gefahr ausgeht, dass wir eben anders ticken, als sie und dass es Dinge gibt, die uns irgendwie sehr wichtig zu sein scheinen, auch wenn sie das nicht immer nachvollziehen können.
Sie geben sich die größte Mühe, unsere Sprache zu verstehen und zu sprechen und geben sich ganz uns und unserem Alltag hin, so schwer manchen das auch fällt. Weil wir ihnen wichtig sind. Weil sie uns gern haben, so verrückt wir uns aus Hundesicht auch manchmal verhalten. Weil ihnen dieses „wir“ wichtig ist. Weil sie dieses „wir“ nicht verlieren möchten.
Aber sie können sich noch so viel Mühe geben, damit diese Partnerschaft funktioniert, müssen sich beide Seiten mit der Sprache des anderen beschäftigen.
Ich sehe es als die Pflicht eines jeden Hundehalters an, sich mit der Sprache der Hunde und ihres Hundes zu beschäftigen. Das sind wir ihnen schuldig, nur das ist ihnen gegenüber fair. Und wenn wir uns einmal mit der Sprache der Hunde beschäftigen, stellen wir sehr schnell fest, wie viel sie uns den ganzen Tag über erzählen. Nicht alles ist für uns immer gleich klar oder eindeutig oder wir bitten erfahrene Dolmetscher um Hilfe (Hundetrainer zum Beispiel), aber wie das mit dem Lernen einer neuen Sprache eben so ist: man lernt jeden Tag dazu, solange man sich nur damit beschäftigt.
Ich lerne seit Ori da ist, gerade auch wieder sehr viel, bzw. mir wird die letzten Wochen wieder sehr bewusst, wie wichtig es ist, auf die Körpersprache der Hunde zu achten, aber auch auf die eigene, wie verwirrend meine Körpersprache für einen Hund sein kann, der sie noch nicht kennt und wie viel Mühe es manchen Hunden macht, unsere Sprache gleich zu verstehen und unser Handeln gleich richtig einzuschätzen.
Ori versteht noch ganz vieles nicht oder falsch.
Die ersten Tage hat er sich ständig unterworfen, ständiges Gähnen, auf den Rücken legen, machmal sogar einpieseln, an sich wegen nichts. Nur weil wir ihn gestreichelt haben, ihn zudecken wollten, ihm Nähe zeigen wollten. Das hat ihn alles überfordert, er konnte es nicht einordnen. Kommen wir in Frieden oder nicht?
Also habe ich ihn die erste Zeit immer auf mich zukommen lassen. Wenn er bei mir war, bekam er Aufmerksamkeit, solange es okay für ihn war. Er braucht ständig „Raum“, Zeit zum Nachdenken, zum Einschätzen und das bekommt er. Er lernt jeden Tag dazu, versteht jeden Tag mehr. Mit ihm könnte ich aber heute noch nicht so albern sein, wie mit Emmy oder Nico. Er würde es nicht verstehen. Es würde ihn überfordern, stressen. Also lasse ich das natürlich. Alles in seinem Tempo.
Aber er ist soooooo bemüht, er will so sehr alles verstehen, mir glauben, wenn ich ihm beim Streicheln signalisiere, dass ich „in Frieden komme“,.
Vor ein paar Abenden hat er mich kurz angeknurrt, als er in seiner Schlafhütte lag und ich seine Decke etwas umlegen wollte, damit er es bequemer hat.
Erst war ich erschrocken, es hat mich noch nie einer meiner Hunde angeknurrt. Aber ich habe es schnell verstanden. Die Schlafhütte ist sein sicherer Bereich, jeder der 5 hat seine eigene, es wird nie getauscht. Ich hockte vor ihm und fummelte an der Decke und damit auch an ihm herum. Für ihn eine unangenehme Situation, er konnte ja nicht weg, weil ich den Eingang/Ausgang versperrte. Ich habe sofort aufgehört und bin ins Bett gegangen.
In diesem Fall ging es nicht darum, dass er eine Ressource verteidigen wollte, sondern darum, dass er verunsichert war aufgrund meines bedrohlichen Verhaltens, so muss es auf gewirkt haben. Das weiß ich, weil wir schon ein paar Monate zusammenleben, ich ihn mittlerweile gut einschätzen und die Situationen im Ganzen betrachten kann.
Er wollte Raum, den hat er bekommen, ohne Gemecker oder Sonstiges.
Wie hätte er sein Unbehagen sonst äußern können als Hund? Nur so konnte er mir sagen, was gerade in ihm vorgeht und was ich tun kann, um diese Situation für ihn angenehmer zu machen. Am Ende bin ich dankbar darüber, dass er so etwas (noch) nicht einfach hinnimmt und mit mir spricht und mir zeigt, was okay ist und was nicht, wo ich mein Verhalten noch verbessern kann, noch besser oder feiner kommunizieren kann. Keiner meiner Hunde legt so einen großen Wert auf eine angemessene Kommunikation, wie Ori. Und ich glaube, wäre ich durch die anderen, aber auch durch die Hunde, die ich durch meine Shootings kennenlerne, nicht schon so sehr im Thema, würde es mir und Ori schwerer fallen, uns auf die Sprache des anderen einzulassen.
Das zeigt mir auch mal wieder, dass jeder Hund individuell betrachtet werden muss. Jeder Hund hat seine eigene Sprache, lernt unsere Sprache anders, nimmt unsere Gepflogenheiten mal besser, mal schlechter einfach hin. Zu verallgemeinern macht bei Hunden genau so wenig Sinn, wie bei Menschen.
Manchen Hunden macht es nichts, feste gedrückt zu werden, andere hoffen nur, dass es bald aufhört oder reagieren ungehalten. Andere finden es toll, geknutscht zu werden, auf die Stirn, den Poppo, ganz egal, wieder andere empfinden das als übergriffig….
Jeder Hund ist individuell, spricht individuell, lernt unsere Sprache individuell und möchte, dass wir auch auf ihn individuell eingehen.
Ich habe meine Pflicht erfüllt und erfülle sie jeden Tag, in dem ich auf jeden meiner Hunde individuell eingehe, ihre Sprache gelernt habe und mit ihnen so kommunizieren kann, dass sie mich verstehen. Naja, dass ich manchmal so bekloppt mit ihnen bin, verstehen sie glaube ich nicht immer, aber sie haben akzeptiert, dass ich eben so bekloppt bin und es mir, aus welch merkwürdigen Gründen auch immer, irgendwie wichtig zu sein scheint. 😅
Dass unsere Hunde sich stets diese Mühe geben, bei einem sieht man es mehr, bei dem anderen weniger, sollte niemals eine Selbstverständlichkeit für uns sein.
Es ist ein Geschenk, dass sie so sind und macht diese Partnerschaft so besonders.
Ich sehe es aber als Selbstverständlichkeit an, dass wir das selbe für sie tun, wenn wir uns entscheiden, unser Leben mit Hund/Hunden zu führen. ❤️