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Mafi

„Weißt du?“ sagt Mafi, „Ihr Menschen sprecht immer davon, dass ein Licht erlischt, wenn man stirbt. Ich glaube, dass genau das Gegenteil passiert.“

Ich schaue zu Mafi herunter. Auch wenn ihm ein Auge fehlt und das andere schon sehr trüb wirkt, schaut er mich mit einem festen Blick an. Ich hocke mich hin… ihm gegenüber um ihn weiter ansehen zu können, streichel ihm über seine Stirn und sage: „Ich habe das selber auch schon viele Male gehört. Was meinst du, wie es tatsächlich ist?“ Ich stütze meinen Kopf in meine Hände und warte gespannt auf seine Antwort. Er grübelt. Er weiß, Hunde haben es manchmal ganz schön schwer den Zweibeinern etwas begreiflich zu machen und daher wählt er seine Worte mit Bedacht: „Ich glaube…“, sagt er: „Ich glaube, dass wir, wenn wir geboren werden nur ein ganz kleines Licht sind. Ein Licht, wie bei einer Kerze, die man versucht anzuzünden und die Gefahr läuft, sofort wieder auszugehen. Dieses Licht ist ab diesem Moment in unseren Herzen und strahlt von innen aus uns heraus.“

„Aber wie wird dann aus dieser kleinen Flamme ein helles Licht?“, frage ich ihn. Ich habe die Frage noch nicht ganz ausgesprochen, da wirft Mafi ein: „Liebe! Liebe bringt das Licht zum leuchten. Liebe lässt sie Flamme stark und kräftig werden. Liebe schützt die Flamme, wenn Wind oder Sturm aufkommt. Liebe macht eine Flamme so hell, dass sie auch für andere leuchten kann.“

„Hat deine Flamme hell geleuchtet?“ frage ich ihn und schlucke schon. „Oh ja!“, lacht er mich an und während er mich von einem Ohr zum anderen angrinst, erzählt er weiter: „Ich wurde unfassbar doll geliebt. Weiß du, woran man das merkt?“ „Woran lieber Mafi?“, frage ich. „Daran, dass es die Herzen warmhält. Und mein Herz wurde immer ganz warmgehalten. Ich hatte immer genug Licht um auch für meine Geschwister und meine Familie da sein zu können, wenn ihre Flamme mal wild loderte. Denn das machen Flammen, wenn es einem nicht gut geht. Sie lodern weil Wind und Sturm aufkommen und an ihnen rütteln. Dann war ich da und habe für sie mitgeleuchtet, bis es ihnen wieder besser ging und sich der Sturm verzogen hat.“

Plötzlich verschwindet sein Grinsen und er schaut traurig zu seinen Geschwistern, die auf der Wiese ausgelassen miteinander raufen und spielen. Ich folge seinem Blick und sehe ihn wieder an. Ich flüstere: „Wie geht es deiner Flamme jetzt, Mafi?“. Er schaut wieder zu mir und spricht ganz ruhig: „Meine Flamme lodert, sie lodert, wie nie vorher in meinem Leben. Ich spüre den Wind. Ich spüre ihn, wie er die Flamme hinfort tragen möchte, raus aus meinem Herzen an einen Ort, den ich nicht kenne.“ „Und das macht dir Angst?“, frage ich leise. „Nein!“ wirft er aus: „Ich weiß tief in mir drin, dass mein Licht an einen schönen Ort getragen wird. Ein Ort, an dem es mir gut gehen wird und an dem das Licht nicht mehr flackert.“ „Was glaubst du also, was mit dem Licht passiert, wenn wir gehen, wenn du gehst…“ Mir versagt die Stimme, meine Nase kitzelt. Das tut sie immer, wenn mir die Tränen kommen. „Ich glaube, dass wir so hell strahlen werden, dass die, die uns so sehr geliebt haben uns immer noch sehen können, auch wenn wir ganz dort oben sind. Dass sie unsere Wärme noch immer spüren, obwohl wir nicht mehr unter ihnen sind. Und jedes mal, wenn sie mit Liebe an uns denken, wird unser Licht heller und heller. Und weißt du, für was das wichtig ist?“ Ich schüttele den Kopf, denn sagen kann ich nichts. „Es ist wichtig, damit sie uns eines Tages wiederfinden. An dem Tag, an dem auch ihr Licht vom Wind weggetragen wird, werden wir ihnen den Weg zu uns hell erleuchten. So wird es sein, daran glaube ich ganz fest.“ Ich schaue Mafi tief in sein Auge und meine dort ein Funkeln zu erkennen, ein Funkeln eines Kerzenscheins.

Bevor ich noch etwas sagen kann steht Mafi auf und geht in vielen kleinen, leisen und langsamen Schritten auf seine Geschwister zu, die sich noch immer kabbeln und miteinander spielen. Ich bleibe zurück und schaue ihm noch lange hinterher.

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