Vereinbare jetzt deinen Termin: Hier entlang!

Ben

„Weißt du?“, sagt Ben. „Weißt du, dass man all die schönen Dinge im Leben mit dem Herzen und nicht mit den Augen sehen kann.“

Ben sitzt direkt vor mir, seine Pfoten und meine Füße trennen nur ein paar Zentimeter. Er schaut zu mir hoch, den Kopf leicht zur Seite geneigt, seine Ohren… ich muss lächeln. Seit wir unseren Spaziergang begonnen haben, führen sie bereits ein Eigenleben. Das eine streckt sich dem Himmel entgegen, das andere schlappt zur Seite weg und scheint lieber Richtung Erde zu wippen. Sein Blick, ein Blick zum Seufzen. Der Blick eines Regenbogenhundes. Der Blick eines Hundes, der etwas zu sagen hat. Der das Licht nicht mehr leugnen kann, der dessen Wärme spürt, jeden Tag ein bisschen mehr. Der spürt, dass Veränderung in der Luft liegt und dennoch… ein Blick ohne Angst, offen für all das, was da kommen mag.

Schwer wird es wieder werden, dieses Gespräch. Denn nicht nur Ben hat mein Herz heute völlig eingenommen, auch sein Frauchen hat dort seit der ersten Sekunde unseres Treffens einen Platz gefunden. Da sitzen sie nun, die beiden. Und hüllen es ein, mein Herz, mit einer Liebe und einer Verbundenheit, die ich zwischen einem Hund und seinem Frauchen nur selten gespürt habe.

Ich mache es, wie ich es immer mache: ich atme tief ein und ich atme tief aus. Ich lasse fallen, was meine Schultern schwer macht. Ich setze mich. Ben lässt mich dabei nicht aus den Augen. Er bewegt sich kein Stück. Auch sein Kopf bleibt schief geneigt. Ich kann nicht anders und tue es ihm gleich. Und so sitzen wir da mit unseren zur Seite geneigten Köpfen und schauen uns an. Einen Moment lang sagen wir gar nichts, wir schauen uns nur an. Diese Momente mag ich. Sie dauern nur einen Bruchteil einer Sekunde und doch scheinen sie ewig. Ein Moment nur für mich und meinen Regenbogenhund. Eine Sekunde. Eine Ewigkeit.

„Mein lieber Ben, ich schaue mich hier um und sehe so viele schöne Dinge. All das sehe ich aber mit meinen Augen….“ Ben fackelt gar nicht lange und unterbricht mich sofort. Ich glaube, er wusste ganz genau, was ich sagen würde. „Nein, nein.“, entgegnet er: „Das ist nicht das was ich meine. Natürlich gibt es viele schöne Sachen, wenn man sich hier mal umsieht. Die anderen Hunde, die mit ihren Besitzern spielen, die Hasenkacke hinter dir, die ich mir nachher noch genauer ansehen werde, wie das nasse Gras in der Sonne glitzert und wie alles langsam grün wird, nachdem der Winter endlich gegangen ist. So viele schöne Dinge. So vieles, was wir sehen. Aber es ist das Herz, das die Dinge schön macht, nicht unsere Augen. All das wäre auch noch schön, wenn wir es nicht sehen würden. Wenn wir hören, wie glücklich das Herrchen ist, wie es lacht, weil Bruno gerade dem Ball hinterhersaust, wenn wir die Hasenkacke riechen und wir uns schon vorstellen können, wie toll sie sich in unserem Fell machen wird. Wenn wir die Sonne in unserem Gesicht spüren und meinen den Tau zu schmecken. Das Herz macht all das schön.“

Ich sehe die Sonne, wie sie sich durch eine Baumreihe kämpft. Ein paar Sonnenstrahlen schaffen es und blitzen mich an. Ich blinzele. Das Licht geht mir auf, draußen und auch drinnen. Ich schaue auf den Boden und schüttele langsam mit dem Kopf. Wie konnte mir das nicht klar sein? Nie habe ich darüber nachgedacht. Wie kann es sein, dass sie so viel mehr wissen, als wir? Von dem Leben, was wir leben, wie wir es leben. Ich kneife meine Lippen zusammen und schaue wieder zu Ben. Seine Blicke sind mir die ganze Zeit über gefolgt. „Ben, du hast so recht, mit all dem, was du sagst. Aber wie macht unser Herz das? Was nimmt es wahr, was unsere Augen, unsere Ohren und unsere Nase sind wahrnehmen?“

Ben zwinkert mich an. Die Antwort ist klar, ich sehe es gleich.

„Das Herz sieht, was du spürst. Es spürt die Verbundenheit zwischen einem Hund und seinem Herrchen, es spürt den Spaß, den man dabei hat, sich in Stinkekram zu reiben, es spürt die Leichtigkeit, wenn man die Natur genießt, die Freude, wenn die Welt wieder bunt wird. Es spürt Freude, es spürt Verbundenheit, es spürt Vertrauen, es spürt Nähe und es spürt die Liebe und es macht, dass du all das siehst und hörst und schmeckst. Es sind nicht die Augen, die etwas schön machen, es ist dein Herz.“

Ich will etwas sagen, aber ich kann nicht. Ich denke an Bens Frauchen und frage mich ob er weiß, was ich weiß. Er spricht weiter:

„Mich und mein Frauchen verbindet auch unser Herz. Sie weiß, wie es mir geht, ohne mich anzusehen. Ich weiß, ob es ihr gut geht, ohne sie zu berühren. Unsichtbar und dennoch so stark. Ich spüre sie in meinem Herzen, sie spürt mich in ihrem. So sieht sie mich und so sieht sie all die schönen Dinge. Ich bin immer da, bei ihr. Unsere Verbundenheit ist immer da.

Es wird bald der Tag kommen, da werde ich gehen. Das Licht wird jeden Tag heller, um mein Herz wird jeden Tag wärmer. Und auch wenn ich dann fort bin und man mich hier nicht mehr sehen kann, so bin ich doch noch da. Sie wird mich spüren in ihrem Herzen, sie wird mich sehen mit ihrem Herzen. All die schönen Dinge wird sie sehen, mit mir in ihrem Herzen.“

Das Zusammenkneifen der Lippen hilft nicht mehr. Meine Tränen laufen, ich wische sie nicht weg. Ganz verschwommen sehe ich Ben, wie er an mir vorbei geht zu seinem Frauchen, das eine gelbe Armbinde trägt mit 3 schwarzen Punkten. Sein bester Kumpel Mats empfängt ihn voller Freude, als sei er lange fort gewesen. Dabei war er nur einen Moment bei mir, eine Sekunde, eine Ewigkeit. Mein lieber Ben, du hast mir die Augen geöffnet, indem du mein Herz geöffnet hast. Ich verspreche dir, ich werde anfangen, mit dem Herzen zu sehen.

<3

Menü schließen