Ich kann dich nicht retten

Ich kann dich nicht retten

„Es tut mir Leid, dass ich dich nicht retten konnte!“, sagte ich Emmy. Immer und immer wieder schluchzte ich es vor mich hin, als sie da letztes Jahr vor mir lag auf diesem silbernen Tisch und mir klar wurde, dass die Entscheidung, die ich treffen musste, keine Entscheidung war, sondern es nur noch einen Weg für sie gab, den einzig möglichen, fairen Weg für sie, den Weg über die Regenbogenbrücke.

„Es tut mir Leid, dass ich dich nicht retten konnte!“

Jahrelang waren wir in sehr regelmäßigen Abständen bei verschiedensten Vorsorgeterminen, Ultraschall, Blut, abhören, abtasten… Wir wussten seit 9 Jahren, dass ein Arschloch irgendwo in ihr wohnt und gaben alles dafür, es im Blick zu behalten und damit auch in Schach zu halten. Aber wie Arschlöcher eben so sind, hat es uns hinterlistig und für uns unerkennbar überrannt. Aus dem Nichts war es plötzlich da in einer Härte, die uns jede Chance auf eine weitere glückliche Zeit nahm.

„Es tut mir Leid, dass ich dich nicht retten konnte!“

In dem Moment, als ich damals „Ja“ zu Emmy gesagt hatte, habe ich ihr ein Versprechen gegeben. Nichts, das hätte gesagt werden müssen. Es wirbelte einfach um uns herum, jeden einzelnen Tag. Das Versprechen, für sie da zu sein, alles für sie zu tun, immer das Beste für sie zu wollen, jeden Kampf mit ihr gemeinsam zu bestreiten, ihr ganzes Leben lang. Dieses Versprechen habe ich knapp 16 Jahre lang gehalten. Am Ende war es dieses Versprechen, dass ich sie gehen ließ.

„Es tut mir Leid, dass ich dich nicht retten konnte!“

Ich hatte das Gefühl, versagt zu haben. Nicht genug getan zu haben. Nicht gut genug aufgepasst zu haben. Etwas übersehen zu haben. Ich hatte das Gefühl, ich sei schuld, dass sie gehen musste. Ich habe sie nicht retten können. Und dabei habe ich doch alles versucht, alles gegeben. Völlig umsonst.

„Es tut mir Leid, dass ich dich nicht retten konnte!“

Was ich bei meinem Versprechen nicht bedacht hatte war, dass „ihr ganzes Leben lang“ eben bedeutet, dass der Moment kommt, an dem ich sie gehen lassen muss, an dem sich unsere Wege trennen. An dem ich entscheide, wann „ihr ganzes Leben lang“ vorbei ist. Ich hatte nicht bedacht, dass ich nichts dagegen tun konnte. Gar nichts. Allen Bemühungen zum Trotz.

„Es tut mir Leid, dass ich dich nicht retten konnte!“

Es dauerte eine Weile bis ich endlich verstand, dass es darum gar nicht ging. Dass es niemals darum ging. Es ging nie darum, sie retten zu können.

Am Ende wartet der Tod. Immer. Manchmal mit einem Arschloch im Schlepptau oder mit einem der unzählig vielen anderen Gründe, durch die jemand seinen letzten Weg gehen muss. Manchmal wartet er ein langes Leben, bis er plötzlich auftaucht und an die Türe klopft. Manchmal kommt er schon sehr früh. So oder so, er kommt stets ZU früh wenn es um unsere Lieblingshunde geht.

„Es tut mir Leid, dass ich dich nicht retten konnte!“

Und wenn wir sie doch nicht retten können, was macht der lange Kampf dann für einen Sinn? Wieso sollte man überhaupt kämpfen, wenn man doch weiß, dass man Ende dann doch auf alle Fälle verliert?

Weil die schönen Tage, die besonderen Momente um diesen Kampf herum passieren. Weil jeder schöne Tag und jeder schöne Moment es wert ist, das man für und um ihn kämpft. Weil unsere Lieblingshunde es verdient haben, dass wir um sie kämpfen und unser Bestmöglichstes tun, jeden ihrer Tage zu einem Lieblingstag zu machen.

„Es tut mir Leid, dass ich dich nicht retten konnte!“

Nein, ich konnte Emmy nicht retten, das stand nie in meiner Macht. Aber ich hatte Möglichkeit, ihr ein schönes Leben zu bieten, so lange „ihr ganzes Leben lang“ eben andauern durfte.

Und darum ging es. Darum ging es die ganze Zeit!

Warum ich heute wieder darüber nachdenke?

Weil es nun Nico ist, bei dem der Tod an die Tür geklopft hat. Mit einem Arschloch im Schlepptau. Nicht mit all der Härte, wie bei Emmy. Wir haben Zeit, es gibt Entscheidungen die getroffen werden können. Macht es das besser? Irgendwie nicht. Die Verantwortung, die ich gerade auf meinen Schultern spüre, kann ich kaum tragen. Sie zwängt mich fast in die Knie. Deswegen muss ich mich gerade heute wieder daran erinnern, dass ich auch ihn nicht retten kann. Dass ich es wieder nicht verhindern kann, dass der Moment des Abschieds kommen wird, früher oder später.

Aber darum geht es nicht. Darum wird es nie gehen.

Ich habe weiterhin die Möglichkeit, Nico ein schönes Leben zu bieten, so lange „sein ganzes Leben lang“ eben andauert. Denn auch ihm habe ich ein Versprechen gegeben, als er vor 6 Jahren zu uns kam.

Und darum geht es.

Darum geht es die ganze Zeit.

„Ich kann dich nicht retten!“

Nico und seine Aufpasserin Emmy ❤️

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