Der berühmte, letzte Tropfen

Wir kennen vermutlich alle den Spruch, dass ein Tropfen das Fass zum Überlaufen brachte.

Ich denke seit ein paar Tagen über diesen Spruch nach, weil es bei mir vor ein paar Tagen mal wieder so weit war: Da war ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Das Fass schwappte so über, dass ich in der Küche stand und weinte und nicht mal wusste, wieso mich diese eine Sache so fertig machte. Aber ja, es war nicht nur dieser eine Tropfen, es waren die vielen, vielen Tropfen, die sich in diesem Fass seit Wochen und Monaten sammelten und mit dem einen Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, schwappten mir auch die vorherigen Tropfen gnadenlos ins Gesicht und um die Ohren. Es war zu viel.

Was dieser berühmte, letzte Tropfen war?

Die Heizung meines Studios ging von einen Tag auf den anderen nicht mehr.

Also so gar nicht mehr. 12 Grad waren es dort.

Aber ich hatte Glück im Unglück, dachte ich da noch… Denn einen Tag später kam bereits ein Heizungsmonteur, dann noch einer von unserem Gaslieferanten und später an diesem Tag noch ein anderer Heizungsmonteur…

Seit dem Tag weiß ich übrigens, was für ein schlechtes Zeichen es ist, wenn ein Handwerker sagt: „Das ist interessant…!“ Den Tag davor hatte ich bereits gemerkt, dass es nicht nur beängstigend ist, Krankheitssymptome zu googeln, sondern auch, Fehlermeldungen von Heizungen zu googeln.

Lange Rede, kurzer Sinn…. Keiner der drei fand heraus, was das Problem meiner Heizung war, die gerade mal 5 Jahre alt ist. Ein Spezialist der Heizungsfirma selbst wurde angefragt und wir wussten schon: damit wird es richtig teuer!

Mein kaltes Studio, das in dem Moment nicht mehr mein Wohlfühlort sein konnte, nicht mehr meine Zufluchtsstätte war und das Nichtwissen, was eigentlich los ist, wann und wie wir das wieder hinbekommen und was uns das am Ende kosten wird, das war der berühmte, letzte Tropfen!

Als ich an dem Tag vom Studio nach Hause ging, liefen mir schon die Tränen, Zuhause kam ich gar nicht mehr klar und weinte und weinte. Ich fütterte die Hunde und sagte Oli, meinem Mann, dass ich weg müsse, raus müsse, ins Auto, Musik hören, egal wohin.

Es schüttete, als ich ins Auto stieg, ein kurzer, heftiger, dunkler Regenschauer und in Blickrichtung entdeckte ich ihn schon… einen Regenbogen, einen wunderschönen breiten, kräftigen Regenbogen. Mit einem Schlag war meine Traurigkeit dahin, stattdessen war ich ganz aufgeregt nach all den Monaten endlich wieder einen Regenbogen zu sehen. Ich fuhr ihm entgegen, aber je näher ich ihm zu kommen schien, desto weiter entfernte er sich. An einem Feldweg bog ich ab, parkte dort und ging zu Fuß weiter. Es regnete, es war mir egal.

Plötzlich sah ich, dass es sogar zwei Regenbögen waren. Es sah wunderschön aus.

Ich fühlte mich wahnsinnig leicht, ich dachte an Emmy, die mir plötzlich ganz nah erschien.

Das war eines ihrer Zeichen, ich war mir sicher. Ich machte so viele Bilder von dem Regenbogen und auch eines gemeinsam mit ihm: ein Selfie von mir und Emmy. ❤️ Ich ging weiter und hatte das Gefühl, mit meiner Emmy spazieren zu gehen. Nur sie und ich in diesem Regen, umgeben von diesen Regenbögen.

Ich spürte, wie dieses übervolle Fass leichter wurde. Wie Tropfen daraus, die mir eben noch so schwer und schlimm erschienen, auf einmal in der Luft und Leichtigkeit verschwanden.

Als ich mich auf den Rückweg machte, verzogen sich die dunklen Regenwolken und damit auch der Regenbogen. Stattdessen wurde die Welt in rosa getaucht. Die Mischung aus den grauen Wolken, dem Sonnenuntergang, bewölktem und unbewölktem Himmel ergaben eine rosa Färbung, die so schön anzusehen war. Rosa, meine Lieblingsfarbe. 🩷

Ich bedankte mich bei Emmy, wieder liefen Tränen, aber vor Rührung, vor Leichtigkeit und wegen der Schönheit, die sich so unvermittelt für mich zeigte.

Es gibt Momente, die unser Fass zum Überlaufen bringen.

Aber es gibt ebenso Momente, es gibt Menschen, Seelen, Begegnungen, Erlebnisse, die wie eine Art Schöpflöffel sind und viele, viele Tropfen aus unserem Fass herausholen und dafür Sorgen, dass alles nicht mehr ganz so schwer ist und wir wieder die Leichtigkeit (in uns) spüren können.

Mein Fass ist immer noch ziemlich voll, da bin ich ehrlich. Aber ich bin wieder viel offener für die Schöpflöffel, die mir immer ein paar Tropfen aus meinem Fass herausholen und es mir wieder viel leichter und einfacher machen und mich davor bewahren, dass es so bald wieder überlaufen könnte.

Danke Emmy, mein allerbester Schöpflöffel ❤️

Übrigens, meine Heizung läuft wieder und ich tippe diesen Text in meinem warmen, muckeligen Wohfühlort, meinem Studio. Der Fachmann von der Heizungsfirma konnte es tatsächlich einen Tag später richten.

Auf die Rechnung warten wir noch… Ich vermute, an dem Tag, an dem die kommt, bräuchte ich dann auch nochmal einen ziemlich großen Schöpflöffel. 😉

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Mascha Schäfer-Alt

    Du schreibst so wunderschön und wundervoll, hast du schon mal daran gedacht, das alles in ein Buch zu packen? Liebste Grüße von Mascha, Karen, Lucy und Chito und Kimmy im Herzen 🥰❤️😘

  2. Silvia Harris

    Du Liebe,
    das shooting bei dir gehört zum Schönsten, was wir mit Aimee gemacht haben…. Wir haben es alle 3 sehr genossen.
    Mittlerweile ist Aimee fast 14, sie schläft deutlich mehr und zeigt ihre bisweilige Ablehnung von Gassirunden sehr deutlich.
    Wir genießen jeden Tag mit ihr.
    Herzliche Grüße aus Mittelfranken von
    Aimee mit ihren „Eltern“ Silvia und Hilmar ❤️🧡💛

  3. Anja

    Liebe Julia/Lizbeth,
    Ich folge dir schon über 10 Jahre bei Facebook ( Instagram folgte) und habe neben deinen wundervollen Bildern ( du bist ein Vorbild in der Fotografie für mich ❤️☺️)schon immer deine Texte geliebt….
    Fesselnd, echt, voller Gefühl und ich fühle mich immer wie mit dabei. Auch der Tropfen…. oh ja „I feel you“ kenne ich soooo gut.
    Und ich sage es wieder : ein Buch von dir mit deinen Bildern dazu….ein Traum❤️
    Herzliche Grüße von
    Anja …und ihrer Emmi – ein 10 jähriges blindes Labbi-Mädchen

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